Der Blog der Landschaft des Wissens



Vorbemerkung

Zum Start unseres Blogs finden Sie ausnahmsweise einen längeren Artikel, der die Basis der Überlegungen zum Top Management Symposium 2022 bildete. Das Thema ist nicht nur aktuell, sondern von grundsätzlicher Bedeutung für eine zukunftsorientierte Gesellschaft, das uns auch weiter beschäftigen wird. Die Blogbeiträge sollen unterschiedlichste gesellschaftspolitische Aspekte aufgreifen und als kurze Impulse zum Nachdenken und Diskutieren anregen. Im Sinne der Lesbarkeit werden diese zukünftig selbstverständlich kürzer gehalten werden.

Die dünne Decke der Zivilisation

Spaltung der Gesellschaft als Gefahr für die Demokratie!?

Im Verlauf der Menschheitsgeschichte sind immer wieder Zivilisationen untergegangen, während andere überlebten. Der Geograph und Anthropologe Jared Diamond(1) hat sich ausführlich damit befasst zu ergründen, woran hoch entwickelte, komplexe Gesellschaften gescheitert sind, um daraus vielleicht im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit unserer heutigen Welt, unserer globalen Weltgesellschaft, zu lernen. Er stieß dabei auf ein für ihn verblüffendes, durchgängiges Phänomen: Das Versagen der Entscheidungsprozesse in ganzen Gesellschaften oder gesellschaftlichen Gruppen, die damit verbundenen Interessenskonflikte und eine aus der Balance geratene Gruppendynamik.(2)

Global durchgesetzt hat sich eine technisch-ökonomische Zivilisation, die im Unterschied zu früheren Gesellschaften heute nicht mehr territorial begrenzt ist. Die gesamte Welt wurde zum „Spielfeld“ der Verwirklichung ihrer grenzenlosen wirtschaftlichen Möglichkeiten, die natürlichen Ressourcen der Erde zum Rohstoff für Wohlstand und zum Treibstoff einer Lebensqualität wie noch nie zuvor in der Geschichte – jedoch nur für einen bestimmten Teil der Weltbevölkerung: Die westlichen Industriegesellschaften und die mit ihnen verbundenen autokratischen Eliten, die einen luxuriösen Lebensstil pflegen, während der „Rest“ der Weltbevölkerung oft um seine nackte Existenz kämpft.  

Der Philosoph Horst Kurnitzky(3) bezeichnete diese Gesellschaft, welche die Regeln des Marktes zu alles bestimmenden Gesetzen erhebt, als „unzivilisierte“ Zivilisation, die ihre Zukunft verspielt. Dabei ging er mit der Politik, aber auch ihren Wählern hart ins Gericht: „War das größte Ziel der Politik einst eine demokratisch verfasste Gesellschaft autonomer Individuen, welche die Form ihres Zusammenlebens selbst bestimmen, so wird Politik zu einer Ware der Unterhaltungsindustrie, und das Wahlvolk wählt […] Politiker wie Popstars.“

In einer Gesellschaft, in der sich jeder zum Markte tragen muss, jeder nach seinem Vorteil strebt (Ich-AG; „Geiz ist geil!“), bleibt die Gemeinschaft auf der Strecke. Wenngleich die dünne Decke der Zivilisation nicht unwesentlich durch materiellen Wohlstand zusammengehalten wird, ist es die ungleiche und ungerecht empfundene Gewinnverteilung, welche die Gesellschaft zugleich auch spaltet! Die Schere zwischen Arm und Reich ist in den letzten Jahrzehnten nicht nur global, sondern auch innerhalb der wohlhabenden Staaten auseinander gegangen. Die Systeme der sozialen Absicherung wurden im neoliberalen politischen Umfeld seit den 1980er-Jahren zurückgefahren – auch von sozialdemokratischen Politiker:innen. Damit wurden sukzessiv systembedingte Verlierer „produziert“, die angesichts der zunehmend prekären Bedingungen ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen und somit an die Ränder der Gesellschaft gedrängt werden.

Nach Steven Levitsky und Daniel Ziblatt(4) beginnt der demokratische Rückschritt heute an der Wahlurne. Verunsicherte, populistisch verführte und indoktrinierte Menschen wählen Politiker:innen, die ihren Zorn und die Verzweiflung für ihre eigenen, persönlichen Zwecke zu kanalisieren vermögen und – an den Schalthebeln der Macht – ihre „Regierung“ der parlamentarischen Kontrolle zu entziehen versuchen.

Der „Wille zur Macht“ strebe – sinngemäß nach Friedrich Nietzsche(5) – danach, bestehende Werte in egoistischer Weise zu zerstören und herkömmliche Moral aufzulösen, um sich selbst zum obersten Wert zu verselbständigen … Dies führt unweigerlich zur Radikalisierung, Polarisierung und Spaltung der Gesellschaft, die damit ihre Diskursfähigkeit völlig zu verlieren scheint – eine Entwicklung, die durch die Filterblasen in den Sozialen Medien massiv verstärkt wird. Um die Menschen zu erreichen, geht es nicht um die besseren Argumente im transparenten öffentlichen Raum, sondern um den besseren Algorithmus im Hintergrund. Wenngleich auch die traditionellen Medien nie ideologiefrei waren (und sind), hat sich die Hoffnung, dass die digitalen Medien zu einer Demokratisierung der Information führen, nicht erfüllt. – Im Gegenteil: Sie haben die individuellen Möglichkeiten potenziert, ganz persönliche Meinungen, Vorurteile, Ideologien und „Fake-News“ hemmungslos zu verbreiten.

Nietzsche sprach aber auch davon, dass es in Krisenzeiten zu einer Umwertung der Werte, einem Zurück zu den Werten vor dem Niedergang käme, die dem Leben einen Sinn geben, d.h. einen neuen Sinn in das sinnlos Gewordene legen. Dem entsprechend erlebten wir zu Beginn der Pandemie 2020 tatsächlich eine Welle von Solidarität und Nachbarschaftshilfe. Es kam sogar zu einer Verschiebung der Wertschätzung von Berufen. Anstelle von Top-Manager:innen und Führungskräften, Aufsichtsrät:innen, Direktor:innen, Professor:innen etc. haben das Krankenhaus- und Pflegepersonal, landwirtschaftliche Hilfskräfte, Verkaufspersonal, Post-, Fracht- und Paketzusteller:innen, Arbeiter und Angestellte zur Sicherung der Wasser- und Elektrizitätsversorgung etc. deutlich im Ranking an Prestige gewonnen.

Mittlerweile hingegen scheint sich wieder jeder selbst der Nächste zu sein.

Die Ausnahmeerfahrung, dass ein Virus jeden tödlich treffen könnte wie auch die infolge dessen von der Mehrheit der Bevölkerung als „Erlösung“ empfundene Impfung, haben die Menschen und die Gesellschaft inzwischen besorgniserregend gespalten – emotional, ideologisch, wie auch wirtschaftlich. Der Widerspruch von Impfbefürworter:innen und Impfkritiker:innen entpuppt sich als Zerreißprobe für unsere demokratisch verfasste Gesellschaft. Beide Gruppen fordern ihr Recht ein, beide fühlen sich im Recht. Politische Propaganda, die Medien, das World-Wide-Web und insbesondere die Sozialen Medien befeuern die ideologisch polarisierten Filterblasen, in denen die Menschen ihre eigenen Vorurteile verstärken, womit ihre Wahrnehmungen der Wirklichkeit (und damit ihre Weltbilder) zunehmend auseinanderdriften. Die Corona-Pandemie und die bisher vergeblichen Versuche, ihr zu begegnen, haben gezeigt, dass eine pluralistische und offene demokratische Gesellschaft hier scheinbar an ihre Grenzen stößt. Einer staatlich verordneten Impfpflicht steht die liberale Forderung einer selbstbestimmten Ablehnung invasiver Eingriffe in den eigenen Körper gegenüber. Fehlende Solidarität und teilweise sogar Rücksichtslosigkeit (auf beiden Seiten) werden als Freiheit umgedeutet. Wenn es ums existenziell Eingemachte (sowohl biologisch als auch ökonomisch) geht, scheiden sich die Geister immer deutlicher. Doch diese Spaltung ist sprichwörtlich nur die Spitze des Eisbergs, offensichtlich geworden durch eine pandemische Ausnahmesituation, welche die Weltgesellschaft völlig überrascht und geradezu aus der Bahn geworfen hat.
War es unmittelbar zuvor nahezu undenkbar, dass staatliche Autorität einen Lockdown der Wirtschaft, ja beinahe des gesamten gesellschaftlichen Lebens, verordnen könne, erlebten wir in Österreich mittlerweile bereits den vierten! Offenbar scheint der Wert der Gesundheit angesichts der Pandemie inzwischen wichtiger geworden zu sein als das reibungslose Funktionieren der Wirtschaft. Und offensichtlich hat der Staat über seine „biopolitische Vorsorge“ einen Weg gefunden, sich wieder zurückzumelden und bestimmend aufzutreten, bis hin zu einer vielfach empfundenen Bevormundung der Gesellschaft. – Ein Paradigmenwechsel im Hinblick auf die Diktion der neoliberale Marktwirtschaft! Der Mainstream und die meisten Ökonom:innen der Gegenwart vertraten bis unmittelbar vor Beginn der Pandemie die Auffassung, der Staat dürfe sich nicht oder möglichst wenig in das Wirtschaftsgeschehen einmischen. Dieser Wert verkehrte sich jedoch ins Gegenteil. Ohne staatliche Hilfe und Inkaufnahme von (bis dahin neoliberal verpönten) Staatsschulden konnten und können viele Unternehmen in Zeiten von Corona-Lockdowns nicht überleben. Und groß sind daher allerorts die Erwartungen, im Gegenzug zu den verordneten Einschränkungen die finanziellen Nachteile abgegolten zu bekommen. Gleichsam im Sinne einer Trotzhaltung: „Vater Staat“ soll es richten, „koste es, was es wolle“.

Dennoch führte die Corona-Pandemie auch zu einer „Götterdämmerung“ der politischen Autoritäten, weil sich inzwischen herausgestellt hat, dass die Problematik in vielfacher Weise falsch eingeschätzt und zu viele vorschnelle, halbherzige und schwammige Vorgaben, Richtlinien sowie kurzfristig Gesetzesnovellen verordnet und beschlossen wurden, die sogar verfassungsrechtlich bedenklich waren und inzwischen (z.T. aufgrund höchstgerichtlicher Entscheidung) zurückgenommen werden mussten. Und auch zu Beginn des dritten Jahres der Pandemie entpuppt sich das staatliche Krisenmanagement immer noch als fehlerhaft und zum Teil nicht nachvollziehbar. Damit hat dieses nicht unwesentlich zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen – man könnte ironischer Weise fast  sagen: „Zum Teil sogar politisch verordnet“!

Die Hoffnung, dass es nicht so schlimm kommt, wie zu befürchten, scheint die Politik wie unsere gesamte gesellschaftliche Befindlichkeit auch bei anderen Themen zu leiten. Dies ist jedoch keine gute Strategie für die großen gesellschaftspolitischen Herausforderungen, die immenses Spaltungspotenzial beinhalten. Allen voran der Klimawandel und die ökologische Transformation der Gesellschaft, bei der fundamentale Konfliktlinien aufeinandertreffen und sich ebenfalls scheinbar unüberwindliche ideologische Gräben auftun. Es geht um wissenschaftlich-technologischen Fortschritt einerseits und die Einforderung größtmöglicher Rücksicht auf Naturbelassenheit und die Rechte der natürlichen Mitwelt andererseits. Überlagert werden all die damit verbundenen Konflikte (beispielsweise wissenschaftlich-industrieller, technologisch-digitaler oder bio-medizinischer Fortschritt versus Naturschutz, biologische Landwirtschaft und Naturheilkunde – bis hin zu esoterischen Auswüchsen) durch die „ökonomische Brille“.

Doch eine aufgeklärte und notwendiger Weise vorsorgende Weltgesellschaft muss sich pro-aktiv entscheiden, welchen Preis sie wofür zahlen möchte, um kulturell nachhaltig zu überleben. Denn auch die Folgekosten des Beharrungsvermögens und der Unterlassung vorsorgender Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel, werden immens sein.
Ein gutes Leben für alle hat in jedem Fall seinen Preis. Ein gutes Leben für eine vermeintlich abgesicherte Industriegesellschaft ebenfalls; und auch eine abgehobene Elite wird sich dauerhaft nicht gänzlich abkoppeln können.

Wie verwundbar unsere europäische Wohlstandsgesellschaft ist, hat sich angesichts des Ukrainekrieges, den ein scheinbar völlig entrückter Autokrat angeordnet hat, in besonders ernüchternder und erschreckender Weise herausgestellt. Bis unmittelbar vor dem Einmarsch russischer Truppen war es für den überwiegenden Teil der Bevölkerung, aber auch für die europäischen demokratischen Eliten scheinbar undenkbar, dass dies jemals passieren würde. Offensichtlich wurde erst dadurch auf breiter Basis bewusst, wie umfassend die europäische Wirtschaft (und unser „gutes Leben“) von russischen Energielieferungen abhängig ist. Der kriegsbedingte Einbruch der landwirtschaftlichen Produktion und unterbundene Lieferungen, z.B. von Weizen, lässt bei und die Preise für Grundnahrungsmittel steigen und führt in ärmeren Ländern der Erde zu Versorgungsengpässen, die zum Teil  sogar zu Hungersnöten ausarten können.

Insgesamt zeigt sich, wie sehr eine global vernetzte Welt vom FRIEDEN, von einer friedlichen und demokratisch verfassten Weltgesellschaft abhängt.

Es geht um „unsere“ Entscheidungen – und damit wären wir wieder bei der verblüffenden Erkenntnis von Jared Diamond. Die Entscheidung ist auch nach dem Philosophen und Mentor des Wissenschaftsverein Kärnten, Peter Heintel, jener Ort, an dem die Freiheit der Menschen zum Ausdruck kommt. Die Freiheitswahrnehmung bedarf jedoch eines Aushandlungsprozesses, um dialektisch im Sinne der aristotelischen Mesotes-Lehre eine „gerechte“ Mitte zu finden  – die jedoch von Zeit zu Zeit und von Situation zu Situation unterschiedlich ausfallen kann und daher immer wieder kollektiv überprüft bzw. gegebenenfalls angepasst werden muss.
Zugegeben eine schwierige Aufgabe für das Ideal einer pluralistisch-demokratischen Welt-Gesellschaft. Doch wir brauchen das gesamtgesellschaftlich Gute, und zwar global – auch wenn diese Utopie viele nie geteilt haben und immer mehr Menschen nicht mehr daran glauben können. Wir brauchen das Miteinander sowohl emotional als auch als Bedingung der Möglichkeit zur Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung. Eine menschen-gerechte und menschen-würdige Zukunft, sowohl im unmittelbaren persönlichen und regionalen Umfeld, als auch im Hinblick auf die globalen Herausforderungen unserer Weltgesellschaft, kann nur solidarisch und auf Basis von Grund- und Freiheitsrechten wie auch Natur- und Menschenrechten sein, die global gelten.

Im Gegensatz dazu verzeichnen wir jedoch eine zunehmende Polarisierung der Gesellschaft und einen Vertrauensverlust in die Institution der Demokratie, die von „Fake News“ und massiven Desinformationen angeheizt wird. Zudem leben heute, einer Studie des International Institute for Democracy and Electoral Assistance zufolge, 70 Prozent der Weltbevölkerung in gar keiner oder in einer zurückfallenden Demokratie! Selbst in Europa ist so etwas wie die „illiberale Demokratie“ im Vormarsch, mit der demokratische Institutionen sowie unabhängige Gerichte und Medien zwar nicht völlig abgeschafft, wohl aber von (autokratisch geführten) Regierungen im Sinne einer Aushöhlung von innen und im Hinblick auf einen fadenscheinig-gesichtswahrenden Taktik nach außen massiv unter Druck gesetzt werden.

Zumindest ist vielen inzwischen bewusst geworden, dass die Errungenschaften der Demokratie nicht selbstverständlich sind und immer wieder neu erkämpft werden müssen.

– Doch wie kann die Zivilgesellschaft, wie kann demokratisch verfasste Politik anders agieren als bisher? Wie kann sie Menschen verbinden, anstatt zu trennen?
– Wie kann die Spaltung der Gesellschaft eingedämmt und das Gemeinsame, das öffentliche Gute in die Wege geleitet werden?
– Wie können die großen Herausforderungen, welche die Globalisierung (ungeplant und vielfach ungewollt) mit sich gebracht hat, kollektiv reflektiert und bearbeitet werden?
– Wie kann die Frage danach, wie wir leben wollen, in den Vordergrund der Diskussionen gestellt und um die Frage ergänzt werden, was wir daraufhin tun sollen und welchen Beitrag Einzelne und ihre Organisationen dazu leisten können?

Fest steht jedenfalls, dass eine Entsolidarisierung der Gesellschaft eine Gefahr nicht nur für die Demokratie darstellt. Ohne Demokratie gibt es auch keine individuelle Freiheit, die jedoch im Zentrum der Auseinandersetzung der Interessensgegensätze und sich offenbar immer unversöhnlicher gegenüberstehenden ideologischen, ja auch fundamentalistischen Positionen steht. Diese Gegensätze tun sich heute überall auf – ob im Zusammenhang mit der aktuellen Kriegs- bzw. Friedenspolitik angesichts des Ukraine-Krieges, der Pandemiebekämpfung, dem Klimawandel, der Digitalisierung der Gesellschaft oder der ökologischen Transformation der Energieversorgung im Hinblick auf den Europan Green Deal. Mit dem Ukraine-Krieg und der Gefährdung der Energieversorgung Europas (mit fossilen Energien Öl und Gas) könnte sogar die Atomkraft wieder eine neue Renaissance erleben; und das, obwohl die damit verbundenen Risiken wissentlich nicht vollends beherschbar sind und auch nicht sein werden (davon zeugen Tschernobyl 1986 und Fukuschima 2011, aber auch die kriegerischen Angriffe der russischen Armee auf ukrainische Atomkraftwerke).

Wie der Philosoph Hans Jonas(6) bereits in den 1970er-Jahren feststellte, besteht das Dilemma der Moderne gerade darin, dass die Verheißungen der modernen Technik auch in Bedrohungen umschlagen können. Inzwischen, angesichts der seitdem rasant beschleunigten Entwicklung zum Teil völlig neuer Technologien, erweist sich dieses „Zauberlehrlingssyndrom“ viel umfassender und (global) bedrohlicher als je zuvor. Weil das Wissen um die Auswirkungen unserer Handlungen hinter dem Erfindergeist, der menschlichen Schaffenskraft und den Technologien, die damit in die Welt gesetzt werden, weit zurück bleibt, bedarf es einer neuen Ethik, die Hans Jonas in seinem Werk „Das Prinzip Verantwortung“ grundsätzlich entworfen hat. Trotzdem ist die Welt seither ungebremst und zunehmend schneller aus ihrem regenerativen Gleichgewicht geraten – Wissen schützt offensichtlich vor Torheit nicht!

Was also tun?
Appelle helfen nicht.
Der moralische Zeigefinger ebenfalls nicht.
Genauso wenig das bloße Wissen um die Problemlagen, beispielsweise die verheerenden ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen aufgrund der hemmungslosen Ausbeutung von Rohstoffen unseres Planeten, verbunden mit historisch beispielloser globaler Umweltverschmutzung und der Zerstörung unzähliger natürlicher Ökosysteme, wie der Bericht des Club of Rome zu den „Grenzen des Wachstums“ –  ebenfalls bereits in den 1970er-Jahren –  prophezeit hat.(7)

Angesichts dessen bietet sich folgende Überlegung bzw. ein schon öfter vorgebrachter organisationsphilosophischer Vorschlag an, wie es vielleicht dennoch gelingen könnte, gesellschaftlich sinnvoll, konkret und verantwortungsbewusst aktiv zu werden:
Was wir dringend benötigen ist ein sozio-kommunikatives Instrumentarium zur operativen Wahrnehmung und gesellschaftlichen Etablierung dieser von Hans Jonas geforderten Ethik der Verantwortung. Ein Instrumentarium, welches Individuen, Gruppen und Organisationen ermöglicht, kollektive Reflexionsprozesse in die Bearbeitung konkreter gesellschaftlicher Fragestellungen operativ mit einzubauen, um infolge dessen auch kollektive Entscheidungen zu treffen; und das auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen und in unterschiedlichen gesellschaftlichen Handlungsfeldern. Ein solches Instrumentarium wurde unter der Federführung des Philosophen und Mentors des Wissenschaftsverein Kärnten, Peter Heintel, gemeinsam mit einem engagierten Team im Umfeld des eigend dafür gegründeten „Instituts für Interventionsforschung und Kulturelle Nachhaltigkeit“ an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt entwickelt.(8) Obwohl es sich in unterschiedlichen Projekten und unterschiedlichen Praxisfeldern bestens bewährt hat,(9) wurde dieses Institut nach dem Tod von Peter Heintel seitens der Universitätsleitung nicht mehr weitergeführt …

Im Grunde geht es jedoch darum, eine „Kultur der Entscheidung“ zu organisieren und gesellschaftlich verbindlich zu institutionalisieren, die sich im Hinblick auf eine „neue  Nachhaltigkeit“ (im Sinne einer vielfach geforderten „zweiten Aufklärung“) gegen den maßlosen Machtgebrauch menschlicher Freiheit gegen die Natur, vor allem die lebendige Natur und damit auch gegen die Menschen selbst richtet. „Kulturelle Nachhaltigkeit“ in diesem organisationsphilosophisch-anthropologischen Sinne bedarf allerdings einer zusätzlichen, etwas anderen Ethik, die wir „Prozessethik“ nennen.(10) Sie ist Teil dieses mit Peter Heintel entwickelten Instrumentariums, gleichsam die Basis für unterschiedlichste Entscheidungeprozesse und das dafür notwendige kommunikative Design politischer, wirtschaftlicher, kommunaler und zivilgesellschaftlicher Entscheidungsfindung. Ein weiterer untrennbar mit ihr verbundener Baustein ist eine verbindliche begleitende „Interventionsforschung“ im Sinne wissenschaftsgeleiteter transdisziplinärer Beratung für kollektive Belange und öffentliche Konfliktfelder auf unterschiedlichsten gesellschaftlichen Ebenen: die Mit- und Umwelt betreffend, nicht nur das friedvolle und nachhaltig orientierte Leben im „Hier-und-Heute“, sondern aufgrund ihrer zukunftsbestimmenden Auswirkungen auch die Qualität des Lebens nachfolgender Generationen.

Rechte und Pflichten bedingen einander, müssen „abgewogen“ werden, weil es dort, wo es um sozialen Ausgleich („soziale Wahrheit“) geht, kein eindeutiges  „Entweder-Oder“ gibt. Stattdessen muss ein „Sowohl-als-Auch“ im Sinne der aristotelischen Mesotes-Lehre demokratisch-kollektiv erstritten und vereinbart werden.

Das wäre durchaus möglich.
Es bedarf dazu allerdings eines gesellschaftpolitisch konstruktiven Willens im Hinblick auf ein gutes Leben für alle und ein professionelles Konfliktmanagement im Hinblick auf ein gemeinsames Ziel: Das gemeinsame Gute auf Basis gleichberechtigter Einbindung der natürlichen Mitwelt.

Literaturhinweise:
1 Kollaps. Warum Gesellschaften überleben und untergehen. S. Fischer, Frankfurt a. M. 2005
2 Vgl. dazu auch: Arno Bammé (Hg.): Unlösbare Probleme. Warum Gesellschaften kollabieren. Technik- und Wissenschafttsforschung Band 49, PROFIL Verlag, München/Wien, 2014
3 Die unzivilisierte Zivilisation. Wie die Gesellschaft ihre Zukunfst verspielt. Campus Verlag, Frankfurt a. M. 2002
4 Wie Deokratien sterben. Und was wir dagegen tun können. Deutsche Verlagsanstalt, München, 2018
5 Der Wille zur Macht. Versuch der Umwertung aller Werte. Kröners Taschenbuchausgabe, Bd. 78, 1996
6 Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Suhrkamp TB, 2003
7 Dennis L. Meadows et al.: Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Deutsche Verlagsanstalt, 1972
8 Vgl. dazu: Larissa Krainer/Rita Trattnigg (Hrsg.): Kulturelle Nachhaltigkeit. Konzepte, Perspektiven, Positionen. Oekom Verlag, München, 2007
9 Vgl. dazu: Groß, H.P./Strohmeier, G./Ukowitz, M. (Hg): Zukunftsgestaltung als Prozess. Kulturell nachhaltige Wirtschafts- und Lebensraumentwicklung am Beispiel des Kärntner Lavanttales. Landschaft des Wissens, Band 3, oekom-Verlag, München, 2009
10 L. Krainer/P. Heintel: Prozessethik. Zur Organisation ethischer Entscheidungsprozesse. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2010

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